GO
240 x 120 cm (h x w)

Über Gisela Oberbecks Arbeiten
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Gisela Oberbeck, geboren 1953, studierte Malerei und Grafik zuerst in Stuttgart und später in München. Sie lebt und arbeitet in München. Mit ihrem Eigenverlag edition go nimmt sie regelmäßig an Künstlerbuchmessen auf der ganzen Welt teil.
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Der künstlerisch-technische Ausgangspunkt für ihre Arbeiten ist die Grafik. Mit großem handwerklichem Können verwendet sie diverse Techniken und stellt Druckgrafiken, Holzschnitte, Papier-Schattenbilder, Collagen und Unikat-Künstlerbücher her, teilweise in außergewöhnlichen Formaten. Ihre Hauptthemen sind Figur und Fläche, Mensch im Kontext zur Natur, Pflanzenstrukturen, das Verhältnis zwischen Körper und Raum oder, im erweiterten Sinne, zwischen Mensch und Umgebung. Dieses Interesse an der physischen Welt prägt auch ihre bevorzugte Arbeitsweise; drucken, schneiden und falten sind physische Eingriffe in die Materialstruktur. Detailorientiert, präzise und analytisch studiert sie die Ausgangsformen, welche sie später stark abstrahiert oder aufbricht und neu ordnet.
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Die unendlich große Variabilität der Pflanzen bietet reichlich Inspiration zum Experimentieren. Die Künstlerin interessieren Pflanzenstrukturen und die Frage, wie man einige ihrer formbildende Prinzipien künstlerisch verwenden könne. Die Pflanzenwelt ist beispielsweise einerseits sehr vielfältig, kann anderseits aber auf erkennbare Grundformen zurückgeleitet werden. Der Grund dafür besteht darin, dass der Raum, in dem die Pflanzen sich entwickeln, durch ein Netzwerk aus physikalischen Naturgesetzen – Kräften und Strahlungen – beeinflusst wird. Jeder Ort besitzt eine spezielle Ausprägung dieser komplexen Strukturen, von denen Adaptationsmechanismen in Gang gesetzt werden, wodurch die Diversität entsteht.
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Die Schönheit dieser Naturformen kommt in der Druckserie Baumschnitte zur Geltung. Die Oberfläche alter Bretter oder Fundholzstücke wird von der Künstlerin mit Messer und Metallbürste bearbeitet, sodass sowohl die Struktur des Holzes als auch der künstlerische Eingriff sichtbar werden. Im Gegensatz zur Natur, wo das Wachstum des Baumes durch die Raumeigenschaften bestimmt wird, definieren in diesem Fall die Eigenschaften des Holzes (Länge, Breite, Muster) die räumliche Ausdehnung des Kunstwerkes, wodurch das außergewöhnlich längliche Format entsteht. Dieses umgekehrte Naturprinzip hat auch inhaltliche Konsequenzen. Das Verhältnis von Mensch und Natur wird infrage gestellt: Wer bestimmt die Rahmenbedingungen und wer muss sich adaptieren? Andere Naturbilder sind auf unterschiedlichen Größenordnungen (mikro/makro) oder auf die organische Einheiten der Bäume (Stamm-Ast-Blatt) aufgebaut.
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Das Verständnis von Raum als Struktur steht dem künstlerischen Schaffensprozess nahe, bei dem man das zur Verfügung stehende Material, sei es ein Blatt Papier oder ein Stück Holz, ebenso im Hinblick auf ihre physischen Eigenschaften neu gestalten muss. Die so entstehenden Bilder, die auf den Prinzipien Licht und Schatten sowie Form und Leere aufbauen, repräsentieren diese Arbeitsweise. Die Formen, die „Schatten“, entstehen durch das unmittelbare Abtasten des Umrisses eines Gegenstandes und werden auf das Blatt übertragen. Einige der ausgeschnittenen Motive wurden aus in Gärten oder in der freien Natur übertragenen Schatten entwickelt und reflektieren den Kreislauf von Leben und Tod sowie die schnelle Veränderlichkeit des Lebens. (Serie Schattengärten). Andere Schattenbilder bewahren die Erinnerungen an Reisen zu fernen Orten in Amerika und in Italien.

Der „gestörter Garten Eden“, anders gesagt das aus dem Gleichgewicht geratene Verhältnis zwischen Mensch und Natur, wird in zahlreichen Arbeiten thematisiert. Die Blätter zur Natur I-III. enthalten gedruckten Pflanzenmotive, ergänzt mit poetischen Texten …. Die Naturbilder stehen symbolisch für gesellschaftliche und politische Phänomene. Begriffe wie Kräfte, Strömungen, Spannungen und Spaltungen beschreiben nicht nur natürlich-physische, sondern im übertragenen Sinne auch gesellschaftspolitische Prozesse.

Der französische Anthropologe Marc Augé nannte urbane Funktionsräume wie z. B. Bahnhöfe, Flughäfen oder Einkaufszentren „Nicht-Orte”, die überall gleich aussehen und denen die historische, kulturelle und visuelle Verbindung zur Stadtumgebung fehlt. Augé beschrieb, wie diese reibungslos funktionierenden, aber „kommunikativ verwahrlosten” Orte die Menschen entfremden. Die U-Bahn-Bilder (Holzschnitte, meist 100x70 cm) stellen Menschen in der U-Bahn (im Zug, auf der Rolltreppe, usw.) dar. Ein Bild der Serie (Hauptbahnhof, München), zeigt einen Mann auf der Rolltreppe. Dieses Förderband für Menschen ist eine perfekte Metapher für die Automatisierung und seelenlose Routinen. Die strengen geometrischen Formen der Komposition veranschaulichen die Eingeschlossenheit des Menschen in diesem System. Dasselbe Thema erscheint in der Unikat-Bücherreihe Transit. Das längliche Format der Leporellos, mit großen Arbeitsaufwand aus gedruckten, ausgeschnittenen und collagierten Seiten zusammengestellt, erinnert schon an sich an die Wagen eines Zuges. Die eingefügten kurzen Fragen – Where from? Where to? Why? - wecken das Bewusstsein für die großen Fragen des Lebens.

Gisela Oberbecks Arbeiten gründen in einer vielschichtigen und trotzdem kohärenten Gedankenwelt und entfalten durch die Verwendung einer auf das Wesentliche reduzierten Formensprache ihre suggestive Wirkung.

Adrienne Berg MA

Exhibited by:

edition-go

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