Ursprünglich komme ich aus dem Ruhrgebiet und bin 1963 zum Studium nach Freiburg gegangen. Meine Politisierung hat in Freiburg begonnen. Zuvor habe ich mich mit Politik noch nicht so intensiv auseinandergesetzt. Ich habe sogar mal Wahlkampf für die CDU gemacht, Flugblätter verteilt, weil wir dafür Geld bekamen.
In Freiburg hat sich das geändert. Die Studenten haben sehr genau beobachtet, wie die USA sich im Vietnamkrieg verhalten haben. Auch unsere erste Demonstration hat sich dagegen gerichtet. Die Polizei hat die Route bestimmt, ganz weit weg und abseits von allem. Wir wurden auch gewarnt, die Polizei würde auf uns einschlagen, wir müssten unser Gesicht schützen. In Wirklichkeit war da aber gar nichts, es hat sich kein Mensch drum gekümmert. Später haben wir gegen den Besuch des Schahs von Persien demonstriert, gegen sein diktatorisches System, und haben auch Teach-ins veranstaltet. Wir kannten viele Exil-Iraner, die uns aus ihrem Land erzählten.

Das politische Engagement hat Zeit gekostet. Bei den Schulungen des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) haben wir Texte von Marx und Marcuse gelesen. Sozusagen ein weiteres Studium neben dem Studium. Einen Tag in der Woche hat das schon in Anspruch genommen.

Ich habe sehr früh geheiratet. Meine Frau war damals schwanger. Als unsere Tochter geboren wurde, war ich grade 24 – im Nachhinein muss ich sagen, das war schon sehr früh. Wir haben den konventionellen Kindergärten nicht getraut. Wir haben einen eigenen Kindergarten eröffnet, den wir „repressionsfreier Kindergarten“ genannt haben. Einmal in der Woche haben wir über Erziehung diskutiert, bis in die Nacht. Wir machten uns gegenseitig heftige Vorwürfe, weil unsere Erziehung immer noch so autoritär sei. Wir wollten einfach nicht, dass unsere Kinder „brav sein“ und die Mädchen knicksen mussten – so was erschien uns völlig absurd.

Interview, Textfassung: Lisa Schmidt