Dr. Marcus Leinweber
200 x 100 x 3 cm (h x w x d)

Meine Eltern wollten die DDR zwar verlassen, wollten aber nicht, dass ich darunter leide. So war ich bis zu unserer Ausreise bei den Jungpionieren dabei. Um mich auf den Westen vorzubereiten, wo der Glaube eine wichtige Rolle spielt, haben sie mich in die Kindergruppe einer Kirchengemeinde geschickt. Zwischenzeitlich habe ich übrigens auch an Gott geglaubt, mich mit 14 aus eigenem Willen taufen und konfirmieren lassen. Jetzt bin ich Atheist, und diese Kapitel ist für mich abgeschlossen.
Die Ausreise war auf jeden Fall ein einschneidendes Erlebnis. 1989 bin ich im Alter von neun Jahren mit meinen Eltern aus der DDR gekommen. Wir sind aus der Großstadt Berlin in die Kleinstadt Freudenstadt gezogen, für mich fast schon ein Dorf. Die Sprache der Leute habe ich zunächst nicht verstanden. Meine Eltern haben durch die Ausreise sehr viel Geld verloren, da der Umtauschkurs sehr schlecht war. Wir haben von Null angefangen. Es war kein Geld da, um mir neue Klamotten zu kaufen. Ich musste die alte DDR-Kleidung tragen. Für ein Kind in einer neuen Klasse war das schwierig. Ich war der „Ossi“. Ich war froh, als ich nach einem halben Jahr auf das Gymnasium gekommen bin. Die Lehrer haben mein Interesse an den Naturwissenschaften gefördert und Arbeitsgemeinschaften angeboten. Das empfand ich als sehr bereichernd.
Für mich und insbesondere meine Mutter war der Menschenschlag in Freudenstadt schwer zu handhaben. Berlin ist für die „Berliner Schnauze“ bekannt – eine Person sagt direkt heraus, was sie denkt. Im Schwabenland war die Mentalität eine andere.
Meine Kindheit und Jugend in Baden-Württemberg waren sehr ambivalent. Besonders in der Anfangszeit war es schwierig, sich anzupassen. Ich war zwar bereit, auf jemanden zuzugehen, habe es aber auch von der anderen Seite erwartet. Insgesamt musste ich unter meiner Kindheit in Baden-Württemberg nicht zu sehr leiden, aber es ist auch nicht die schönste Sache, die mir passiert ist.

Interview und Textfassung: Laura Ilg

Ausgestellt von

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