ueber side effects

über side effects

Walter Benjamin bescheinigte ihm einen »magischen Wert«, Susan Sontag bezeichnete ihn ebenfalls »als etwas magisches« und für William Henry Fox Talbot war es ein kleines Stück an wahrgewordener »Naturmagie«.
Sie alle sprechen vom analogen fotografischen Prozess, der selbstverständlich auch mich von der ersten Stunde der Begegnung an faszinierte. Der Blick durch den Fadenzähler auf den gerade entwickelten Film und die erlösende Gewissheit das gewünschte Ergebnis erzielt zu haben oder, ab und zu, das unglaubliche Glücksgefühl über etwas gänzlich unerwartetes – die eine Fehlbelichtung, der zu hohe Kontrast, Bewegungsunschärfe, ungewünschte Lichtreflektionen – die zu einem Bild auf einer anderen Ebene führten, weit über eine technisch perfekte Fotografie hinaus.
Alexander von Humboldt sprach über die ersten Daguerreotypien als »Gegenstände, die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen« und vom »Licht, gezwungen durch chemische Kunst, in wenigen Minuten bleibende Spuren hinterlassen«

Eine dieser magischen »Spuren« fiel mir immer wieder ins Auge.
Sie können entstehen wenn ein Film durch mehrmaliges Auslösen zur Aufnahmeposition vorgespult wird. Es sind unbeachtete zufällige Belichtungen die, manchmal, genau den Übergang zur lichtempfindlichen Filmemulsion erwischen. Meist über- oder unterbelichtet zeigen sie pastellfarbige oder blutrote Farbflächen die aus der noch schwarzen unbeschichteten Filmfläche »herauswachsen« und bei bestimmten Filmen und Entwicklungen zu bizarren Formen führen die teilweise an kosmische oder mikrokosmische Strukturen erinnern. Vorläufer der modernen abstrakten Kunst.
Sie unterliegen keinerlei Absicht und keiner gestalterischen Hand – sind sozusagen ein einzigartiger »Nebeneffekt« des magischen Zusammenspiels von Chemie und Licht.
In der Regel blieben sie unbeachtet und wurden abgeschnitten – in meinem Fall werden sie seit über 40 Jahren gesammelt.
Was Sie hier sehen sind meine ersten Bearbeitungen dieser analogen Phänomene, deren Farbschichten zu neuem Leben erweckt werden. In Ermangelung eines bereits bestehenden Begriffes bezeichne ich sie als »fotografisch analogen Expressionismus«.
Der Rest ist Interpretation.

Joachim Schmeisser, Juli 2022

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IMMAGIS ART PHOTOGRAPHY

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