»Ja, wir haben schon vieles erreicht. Doch es bleibt unendlich viel zu tun. Solange mehrheitlich Männer darüber bestimmen, wie sich die tagtägliche Realität einer Gesellschaft gestaltet, die numerisch nun mal nicht mehrheitlich männlich ist, läuft etwas schief – vom qualitativen Unterschied ganz zu schweigen, der aus den vielfältigen Perspektiven erwächst, wenn beispielsweise auch Frauen im Verteidigungsausschuss entscheiden oder Männer vermeintliche Frauen berufe ausüben.
Immer noch sind patriarchales Rollendenken, sexistische Gewalt und diskriminierende Strukturen tief in unserer Gesellschaft verankert. Männer sitzen in der Überzahl an den Schaltstellen von Politik und Gerichten, der Wissenschaft und Medien, in der Wirtschaft. Privilegien, Zugänge und Macht sind weiterhin ungerecht verteilt, in
Deutschland und weltweit. Die Herzkammer un serer Demokratie, der Deutsche Bundestag, schlägt zu knapp 70 Prozent männlich – nicht paritätisch, wie es geboten wäre. Und Frauen sind verstärkt von Armut und Gewalt betroffen. Diejenigen, die gesellschaftlich gleich mehrfach marginalisiert werden, trifft es umso härter.
Das zu ändern geht nur gemeinsam – indem wir bisherige Errungenschaften verteidigen und neue erkämpfen. Feminismus ist deshalb weder out noch reine Frauensache. Vielmehr sind Gleichstellung und Gerechtigkeit gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Und doch, es braucht den Blick der Frau, mehr denn je. Ohnehin: In einer Welt voller Demokratiefeinde und Rechtsstaatsverächter ist gerade die internationale, immer vernetztere, schlagkräftige Frauenbewegung ein Hoffnungsschimmer.
Die Vision einer Welt, in der alle Menschen – unabhängig von ihrem Geschlecht, frei von je der Unterdrückung, in voller Selbstbestimmung und Würde – leben können, muss bei alledem unser Leitbild bleiben. Vor über 70 Jahren hat sich die internationale Staatengemeinschaft zu den Menschenrechten bekannt. Solange deren Versprechen nicht voll erfüllt sind, sollten die Überwindung von Gewalt und Diskriminierung, die Stärkung von Frauen und Mädchen, die Unterstützung auch anderer marginalisierter Gruppen elementare Richtschnur all unserer Erwägungen sein. Eine gerechte Gesellschaft setzt Gleichberechtigung voraus. Globale Gerechtigkeit wiederum gibt es nicht ohne Frauenrechte. Und der Einsatz für diese Frauenrechte – der sollte stets Teil des großen Ganzen sein.
Sexismus und Rassismus beispielsweise sind zwei Seiten derselben repressiven und rückwärtsgewandten Medaille. AntiFeminismus geht in der Regel einher mit der Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, queeren, intersexuellen oder asexuellen Menschen. Und es ist auch kein Zufall, dass die vehementesten Leugner des menschengemachten Klimawandels zugleich massiv gegen Frauenrechte, die Rechte von Indigenen oder Minderheitenrechte angehen.
Moderner Feminismus braucht deshalb das ganz breite Bündnis und den Schulterschluss mit allen gesellschaftlichen Kräften, die ihrerseits gegen Ungerechtigkeit kämpfen. Der Einsatz gegen die Klimakrise, für Gleichberechtigung, gegen Rechtsextremismus? One struggle, one fight.«