Christel Kreß
200 x 100 x 3 cm (h x w x d)

Ich bin als fünftes von sechs Kindern geboren und im Kochertal auf einem Aussiedlerhof aufgewachsen. Im Sinne der Existenzsicherung war klar, dass alle Familienmitglieder in der Landwirtschaft mithelfen.
Meinen Eltern war eine christliche Lebenseinstellung wichtig. Dazu gehörten der regelmäßige Kirchgang genauso wie gelegentliche Einladungen und Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose (im Volksmund „Landstreicher“). Das war im Nachhinein für mich gelebte Solidarität!
Die Konfirmation, die ich innerlich in Frage gestellt habe, öffnete mir den Zugang zum Jugendkreis – dort trafen sich die Coolen, spielten Gitarre und diskutierten politisch kontrovers.
Wir wollten uns gegen den damaligen Massenkonsum wenden. Wir haben uns außerdem der Friedensbewegung angeschlossen, sind zu Demos gefahren und haben eine eigene „Ohne Rüstung leben“- Gruppe gegründet. Es gelang uns, einen Bus zur ersten großen Friedensdemo nach Bonn im Oktober 1981 zu organisieren. Im Dorf stieß unser Engagement auf Kritik. Sehr angeeckt sind wir mit unserem Erscheinungsbild: Wir hatten damals nicht viel Geld und haben selbst T-Shirts gebatikt, alte Hemden und Unterröcke der Großeltern lila und türkis eingefärbt.
Viel wurde auch über Musik transportiert – wir haben politische Musik von Liedermachern wie Konstantin Wecker oder Zupfgeigenhansel, vor allem von der schwäbischen Kultband „Schwoißfuaß“ gehört. Mit 16, 17 Jahren kam zudem die Annäherung an die Frauenbewegung und die selbstbestimmte Sexualität. Die meisten Frauen auf dem Land waren Hausfrauen, für sie bestimmte das „Schaffen“ den Alltag. In meiner Familie war ein Studium nicht angedacht.
Mich hat es mit 17 Jahren nach Reutlingen gezogen. Ich wurde Teil der alternativen Szene. Der Traum aller war es, in die Berliner Hausbesetzerszene einzutauchen. Für einen homosexuellen Freund war der Umzug nach Berlin die Rettung. Über so etwas hätte man übrigens auch in unserem Kreis nicht gesprochen, es gab viele Tabuthemen. Auch die Zeit des Dritten Reichs wurde nie richtig thematisiert und aufgearbeitet. Ich war völlig erschüttert, als ich erfuhr, dass ein Mann aus dem Dorf, immer sehr freundlich zu uns, eine SS-Größe in Dachau war.

Interview und Textfassung: Laura Ilg

Exposé par :

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