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Früher hat man die Begriffe „Gemeinschaft“ und „generationenübergreifend“ nie benutzt, man hat das einfach gelebt. Es war wie selbstverständlich, dass Nachbarn auf die Kinder aufgepasst haben. Teilweise ist es in der Gegenwart ähnlich, aber insgesamt ziehen sich die einzelnen Personen und Familien heute viel mehr in die Anonymität zurück.
Als ich 16 Jahre alt war, haben mir Klassenkameraden nicht nur den wunderbaren Jazz, sondern auch die politische Welt nahegebracht. Ich bin von der Mitläuferin zum politisch bewussten und aktiven Menschen geworden und habe mich am politischen Arbeitskreis der Oberschule beteiligt. Wir haben eine Bundeswehrkaserne besucht. Gemeinsam mit Freunden bin ich zum KZ-Friedhof in Unterriexingen nahe Bietigheim gefahren. Das Dritte Reich wurde im Geschichtsunterricht nur im Schnelldurchlauf behandelt. Seit mehr als 20 Jahren engagiere ich mich inzwischen in der KZ-Gedenkstätte Vaihingen/Enz.
Mein Vater war Gewerkschaftsmitglied. Ich habe früh mitbekommen, dass man in der Politik oft heftig enttäuscht wird. Während unserer Abiturfeier bin ich bei den Jungsozialisten eingetreten, nach 10 Jahren habe ich die SPD allerdings wieder verlassen. Ich habe in Tübingen studiert, dort haben mich die Vorlesungen von Walter Jens sehr beeindruckt. In den 1968ern habe ich gegen den Vietnamkrieg protestiert. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass wir damals von einer herrlichen Mischung aus Idealismus, Naivität und Ahnungslosigkeit getrieben worden sind. Heute, explizit bei Stuttgart 21, ist es neben der Wut besonders die unmittelbare Betroffenheit. Mittlerweile ist mir klar, wie schwierig es ist, etwas in der Welt zu verändern, aber ich bin noch nicht bereit zu resignieren!
Interview und Textfassung: Leonie Müller